Von Helmut Rahn zu Pussy Riot

„Tresen Tratsch“ im London Pub

Von Dr. Helmut Orpel für Lampertheimer Zeitung 15. 10. 2012    Bild AfP Asel

„Tresen Tratsch und andere Trivialitäten“ hieß das Einpersonenstück,

das Friedrich Hackstein am vergangenen Samstag im „London Pub“ auf die Bühne brachte.

Nun könnte man sagen, das gibt es dort doch jeden Abend. Aber nein, das Stück handelt vom Tresen Tratsch der besonderen Art.

 Stefan Reusch, der Autor der Texte, die Hacky da so gekonnt vortrug, ist den Hörern von SWR 3 bestens bekannt. Jeden Freitag gibt Reusch dort einen Wochenrückblick, indem er gallig die Ereignisse der Woche kommentiert. Bestechend ist dabei sein Sprachwitz, der sich der Assoziation bedient. Zum Beispiel kommt Reusch vom Doping im Sport zum Thema der Zuzahlung bei den Medikamenten, von dort auf die Gesundheitsreform und auf die Frisur von Frau Merkel. Wegen dieses wilden Assoziierens eignen sich diese Texte auch ganz besonders für Thekengespräche, denn dort geht es ähnlich assoziativ zu. Korn und Bier heizen den Redefluss an und mindern die Tendenz, diesen Redefluss bei sich selbst durch Zuhören zu unterbrechen.

Hacky, der in seiner Rolle Paul heißt, verlegt den Ort des Geschehens ins Ruhrgebiet. Biographisch gehört der plaudernde Wirt in die Nachkriegsgeneration, ist Enkel eines der vielen Großväter, die Jupp heißen. Er kann sich noch gut an das Fußballidol Helmut Rahn erinnern und an die Zeit, dass der Verein Rot-Weiß-Essen im oberen Tabellendrittel der Bundesliga mitspielte. Diesem Ambiente entsprechend heißt die Gaststätte auch „Die Kurve“, womit die Fankurve im Stadion gemeint ist.

Was neben dem Fußball und der Zeche noch zum Ruhrgebiet, zum Revier, um im Bild zu bleiben, gehört, das ist die Currywurst. Und mit der Currywurst die Currywurstbude, die im Laufe der Evolution im Ruhrgebiet das Lagerfeuer ersetzte. Typisch sind hier die „Currywurstdialoge“ zwischen Kundin Gertrud, der Ehefrau des Wirtes. Diese Dialoge leiten dann ebenso mühelos in die Gastronomie des Reviers und zum Thema „Schweinskopfsülze“ über.  Hacky zitiert da wortgetreu aus dem Handbuch der Metzgerinnung von Wattenscheid, wie diese Schweinskopfsülze zuzubereiten sei. Diese gefühllose Art der Beschreibung ruft bei den Zuhörerinnen und Zuhörern nicht gerade angenehme Gefühle hervor.

Wechselnde Sprachrhythmen

Hackys Monologe wechseln zwischen solchen Gebrauchstexten, witzigen Reimen und eben diesen eingangs zitierten Dialogen, die eher autistische Selbstgespräche sind. Unterbrochen wird das Wort durch die Musik, die von Hans aufgelegt wird. Die Musik entspricht natürlich dem Thema: Herbert Grönemeyer, alte Schlager aus der Zeit der 60er und 70er, Jürgen Drews „Ein Bett im Kornfeld“.  Diese Schlager haben es Paul besonders angetan. Diese falsche Romantik ist ihm ein Greul, wie er wort- und zitatenreich zum Ausdruck bringt.

 

Was wären Tresengespräche ohne Witze? Und so gibt es auch einige ins Milieu passende Witze, wie der von dem Opa, der den Kondomautomat in der Toilette mit dem Zigarettenautomaten verwechselt und dann eine neue Marke mit Noppen raucht. Oder die Frage, woran man erkennt, ob man Alkoholiker ist oder nicht? Wenn drei Schnapshändler unabhängig voneinander zugeben, dass du es bist, der ihnen ihre Segelyacht finanziert.

Bissig wurden die Kommentare, wenn es um die aktuelle Politik ging. Kurt Beck, der zurückgetretene rheinland-pfälzische Ministerpräsident: Er empfiehlt sich aufgrund seiner Vertuschungsaktionen für höhere Ämter. Auf die SPD und ihre drei Kanzlerkandidaten schien der Wirt nicht gut zu sprechen: „Die können´s alle gleich gut.“ Sympathie empfand er dagegen für die Mädels der russischen Punk-Band Pussy Riot, die eine neue Art Kirchenmusik machten.

Ein unterhaltsamer Abend also in Hackys „London Pub“, der auch gut besucht war.

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